Gemeinnützigkeitsrechtsreform: Welche neuen Regelungen wurden verabschiedet?

1. Zeitnahe Mittelverwendung für kleine gemeinnützige Körperschaften abgeschafft

Die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung wurde mit Inkrafttreten des Gesetzes ab dem 29.12.2020 für kleine gemeinnützige Organisationen mit Einnahmen aus dem ideellen Bereich, dem Zweckbetrieb, der Vermögensverwaltung und dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb bis zu 45.000 Euro abgeschafft. Diese Lockerung der zeitnahen Mittelverwendungspflicht gestattet es den Organisationen, erforderlichenfalls Projektmittel länger als zwei Jahre für die Zweckverwirklichung anzusammeln, um dem Satzungszweck gerecht zu werden.

Für kleine Organisationen, die regelmäßig unter den 45.000 Euro bleiben, stellt die Abschaffung der zeitnahen Mittelverwendungspflicht jedenfalls eine deutliche Erleichterung der Administration dar. Wie sollen jedoch Organisationen, die in einem Jahr unter und im nächsten Jahr über 45.000 Euro liegen damit umgehen? Der Bundesverband rät hier, die Mittelverwendungsrechnung weiterhin zu erstellen. Wichtig für gemeinnützige Stiftungen ist, dass sie neben dem Gemeinnützigkeitsrecht auch dem Stiftungsrecht unterliegen. Stiftungsrechtlich sind daher wie bisher die Vorgaben zum Einsatz der Erträge zur Zweckverwirklichung einzuhalten.

2. Unmittelbarkeitsgrundsatz der Zweckverwirklichung gelockert: Kooperationen und Holdingstrukturen

Zur Entbürokratisierung trägt auch die Lockerung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes bei. Mit Inkrafttreten ab dem 29.12.2020 sind Kooperationen – also das planmäßige Zusammenwirken mit mindestens einer weiteren gemeinnützigen Körperschaft – zulässig und fallen auch unter die unmittelbare Zweckverwirklichung, so z. B. bei Serviceleistungen. Ein wichtiger Fall ist hier auch die unentgeltliche Nutzungsüberlassung von Immobilien. Der Verzicht auf ein Entgelt ist als Zuwendung im Sinne der Abgabenordung zu werten.

Auch Holdingstrukturen sind zukünftig zulässig, d. h., das Halten und Verwalten von Anteilen an steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften stellt nun eine unmittelbare Zweckverwirklichung dar, da eine Aufteilung der Tätigkeit auf mehrere Gesellschaften nicht das wirtschaftliche Gesamtbild ändert.

3. Katalog für gemeinnützige Zwecke erweitert

Mit Inkrafttreten des Gesetzes am 29.12.2020 wurden neue Zwecke in den gemeinnützigen Zweckkatalog aufgenommen.

Im Einzelnen:

  • Klimaschutz: Der Katalog der gemeinnützigen Zwecke wurde um den Klimaschutz erweitert – der bislang häufig unter Umwelt und Naturschutz subsumiert. Die Aufnahme des Klimaschutzes schafft nun mehr Rechtssicherheit und setzt gleichzeitig ein wichtiges politisches Signal zur Bedeutung des Klimaschutzes im Rahmen des zivilgesellschaftlichen Engagements.
  • Förderung der Ortsverschönerung
  • Förderung der Unterhaltung und Pflege von Friedhöfen sowie Förderung der Unterhaltung von Gedenkstätten für nichtbestattungspflichtige Kinder und Föten
  • Freifunk
  • Förderung der Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden.


4. Mittelweitergabe vereinfacht: Vertrauensschutz und unschädliche Betätigungen

Mit den neuen Regelungen wurden ab 29.12.2020 auch die Mittelweitergabe vereinfacht und rechtsicherer gestaltet.

Fördernde Körperschaften genießen nun Vertrauensschutz, soweit ein aktueller Freistellungbescheid der Empfängerkörperschaft vorgelegt wurde und keine Bösgläubigkeit vorliegt. Bislang lag das Risiko bei längerfristigen oder wiederkehrenden Förderungen, den Nachweis der Gemeinnützigkeit der Empfängerkörperschaft und der entsprechenden Verwendung führen zu können, bei der fördernden Körperschaft. Mit der neuen Regelung entfällt dieses Risiko, und die fördernde Körperschaft wird geschützt.

Weiterhin wurde die Mittelweitergabe insoweit erleichtert, als dass eine Übereinstimmung der Zwecke nach Gemeinnützigkeitsrecht nicht mehr erforderlich ist. Stiftungen müssen jedoch weiterhin das Stiftungsrecht beachten, so dass sie wie bisher Mittel nur zur Zweckverwirklichung des Stiftungszweckes einsetzen dürfen.

5. Übungsleiter- und Ehrenamtspauschalen angehoben

Nachdem die Freibeträge zuletzt 2013 angehoben worden waren, hat sich der Gesetzgeber entschieden, das Ehrenamt durch eine erneute Anhebung zu fördern. Ab dem Veranlagungszeitraum 2021 wird der Übungsleiterfreibetrag von 2.400 Euro auf 3.000 Euro und der Ehrenamtsfreibetrag von 720 Euro auf 840 Euro angehoben. Durch diese Erhöhung werden Anreize für gesellschaftliches Engagement gestärkt und ein größerer Spielraum für viele gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Akteure geschaffen.

Die Anhebung der Ehrenamtspauschale hätte jedoch auch die Anpassung des korrelierenden Haftungsmaßstabs des § 31a BGB nach sich ziehen müssen, wonach eine Haftungsprivilegierung für Organe vorgesehen ist, die weniger als 720 Euro jährlich erhalten. Diese erforderliche Anpassung fehlt bislang. Der Bundesverband wird sich mit Nachdruck für die Anpassung des § 31a BGB einsetzen. Solange sie noch nicht erfolgt ist, sollte eine Erhöhung der Vergütung auf 840 Euro aufgrund des gleichzeitigen Verlustes der Haftungsprivilegierung wohl abgewogen werden.

6. Vereinfachter Zuwendungsnachweis erweitert

Zur Entbürokratisierung trägt ab 01.01.2021 auch die Anhebung des Betrags für den vereinfachten Zuwendungsnachweis von 200 Euro auf 300 Euro bei. Diese Maßnahme entlastet Spender und Spenderinnen, gemeinnützige Organisationen und die Finanzverwaltung und setzt zugleich einen Anreiz, eine höhere Spende für gemeinnützige Zwecke zu leisten.

7. Zweckbetriebskatalog erweitert

Ein weiterer Schritt zur Entbürokratisierung wurde ab 29.12.2020 durch die Erweiterung des Zweckbetriebskatalogs erreicht. Es wurden aufgenommen:

Einrichtungen zur Versorgung, Verpflegung und Betreuung von Flüchtlingen, soweit diese nicht gewerbsmäßig betrieben werden sowie
die entgeltliche Fürsorge für psychische und seelische Erkrankungen und Behinderungen.

8. Freigrenze der Einnahmen aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb angehoben

Die Besteuerungsgrenze für Einnahmen aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, die nicht der Körperschaft- und Gewerbesteuer unterliegen, wurde mit Wirkung zum 29.12.2020 von 35.000 Euro auf 45.000 Euro angehoben.

9. Fehlerhaft tatsächliche Geschäftsführung

Künftig darf das Finanzamt den Erlass des Feststellungbescheides verweigern oder bestehende Feststellungbescheide aufheben, wenn Erkenntnisse vorliegen, aus denen hervor geht, dass die tatsächliche Geschäftsführung nicht den gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschriften entspricht.

10. Gemeinnützigkeitsregister / Zuwendungsregister eingeführt

Seit 20 Jahren setzt sich der Bundesverband für ein Gemeinnützigkeitsregister ein. Nun kommt es zum 01.01.2024 und wird zentral beim Bundeszentralamt für Steuern geführt. Mit der Einführung eines Gemeinnützigkeitsregisters wird dem Missbrauch des Gemeinnützigkeitsprädikats effektiv entgegengewirkt und damit das öffentliche Vertrauen in den gemeinnützigen Sektor gestärkt.

Der Bundesverband hatte sich stets dafür stark gemacht, dass ein neues Register keinen zusätzlichen Verwaltungsaufwand bedeuten darf und insbesondere die Daten vom zuständigen Finanzamt übermittelt werden müssen. Diese Forderung hat der Gesetzgeber aufgegriffen. Durch die Aufhebung des Steuergeheimnisses insoweit darf die registerführende Stelle Dritten Auskünfte geben. Wie im Einzelnen die Einsichtnahme in das Register umgesetzt werden wird, d. h. wer ein Einsichtsrecht bekommt, und wie Auskünfte eingeholt werden können, bleibt abzuwarten.

(Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen)

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